Zum 30. Todestag von Klaus-Jürgen Rattay

22.09.2011: Vor lauter Wahlen und Papstbesuch ging ein Datum fast unter, das für die Stadt sehr bedeutsam ist. Vor 30 Jahren am 22. September starb der Hausbesetzer Klaus-Jürgen Rattay mit nur 19 Jahren.

Er war nach einer dreimonatigen Tramptour 1980 nach Berlin in die Besetzerszene gekommen. Noch einen Tag vor seinem Tod ist er von der ARD interviewt worden. Der damalige Innensenator Lummer (CDU) ließ am 22. September acht besetzte Häuser räumen. Klaus-Jürgen Rattay wurde zunächst in einem Haus in der Winterfeldtstraße geräumt. Dann protestierte er gegen Lummer, der sich auf einem Balkon eines besetzten Hauses in der Bülowstraße zeigte. Lummer befahl der Polizei, die DemonstrantInnen zu vertreiben. Sie wurden von der Polizei in den offenen Verkehr getrieben. Klaus-Jürgen Rattey wurde auf der Potsdamer Straße zwischen Bülowstraße und Kurfürstenstraße von einem BVG-Bus überrollt. Die genauen Umstände wurden wegen Vernichtung von Beweismitteln nie genau geklärt.

Dieses Datum bildete eine Zäsur in der Besetzerzeit und hat mich politisch nachhaltig geprägt. Ich wohnte damals in einem anderen besetzten Haus in der Bülowstraße, dem sogenannten "Tuntenhaus". Geschockt, ängstlich aber auch wütend gingen wir damals am selben Abend zu der Straßenkreuzung zu einer spontanen Trauerkundgebung und besetzten sie friedlich. Dann wurde es dramatisch. Erst kam eine Gruppe Autonomer und warf die Scheiben der umliegenden Banken ein. Ihnen folgte direkt eine breite Wand von Polizeiwannen auf der Straße und den Bürgersteigen. Ein Teil der Polizei sprang raus und prügelte mit Schlagstöcken auf alles ein, was nicht rechtzeitig losgelaufen war. Wir rannten wie um unser Leben, warfen den Wannen Material von Baustellen in den Weg und wurden erneut in den offenen Verkehr, Ecke Kurfürstenstraße, getrieben. Als wir auf Umwegen in unser Haus zurückkehrten, war es nicht zu betreten, weil in die offenen Fenster (es war eine laue Sommernacht), Tränengasbomben von der Polizei geworfen worden waren.

Der Tod von Klaus-Jürgen hat uns so stark getroffen, weil wir alle das Gefühl hatten, es hätte jeden von uns treffen können, so brutal, wie damals die Polizei vorging. Selbst die Blumen, die ein Jahr später für Klaus-Jürgen niedergelegt wurden, wurden von der Polizei damals zertrampelt.

Seit diesem ersten Gedenktag erinnert ein in den Boden eingelassenes Mahnmal in der Potsdamer Straße an seinen Tod.

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