Rede zum Antrag Initiative sexuelle Vielfalt (ISV)/Aktionsplan gegen Homophobie und Transphobie fortführen und qualifizieren
11.05.2012: Gehalten am 10.05.2012 auf der 13. Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses
Thomas Birk (GRÜNE):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Berlin geht leider so einiges schief, ob es die Bruchlandung beim Flughafen ist oder die sinnlose Hängepartie bei dem Neubau für die Ernst-Busch-Schauspielschule, aber manchmal klappt auch was. Und es geschehen sogar kleine Wunder. Vor drei Jahren ist so ein kleines Wunder geschehen. Der Anlass war ein ernster und bleibt ein ernster. Nach brutalen Übergriffen auf Lesben, Schwule und Transgender und mehreren Anschlägen auf das Mahnmal für die verfolgten Homosexuellen im Tiergarten, hatten wir Ende 2008 einen Antrag für einen Aktionsplan gegen Homophobie ins Abgeordnetenhaus eingebracht.
Und statt ihn, "wie üblich" - wie Frau Lompscher eben sagte - abzulehnen, hat die damalige rot-rote Koalition einen ausführlichen Änderungsantrag vorgelegt, der als "Initiative sexuelle Vielfalt" auch einstimmig beschlossen wurde. In einem gemeinsamen Kraftakt von Verwaltung und Community wurde der Beschluss mit über 60 Einzelprojekten unterlegt und schließlich im Doppelhaushalt 2010/2011 mit 2,1 Millionen Euro finanziert.
Dass dieses Wunder möglich wurde, ist vor allem zwei Menschen zu danken: Eren Ünsal, der Leiterin der Landesantidiskriminierungsstelle, und Klaus Lederer, der es auf einem Podium einmal so ausdrückte: "Da war etwas liegengeblieben." - Klaus, wir wissen, dass du diesen Anteil hast, und wir wissen das auch zu schätzen.
[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]
Der Aktionsplan gegen Homophobie und Transphobie ist nun Vorbild geworden für viele andere Bundesländer, insbesondere für die mit grüner Regierungsbeteiligung. So freuen wir uns seit dem letzten Wochenende auch auf die Umsetzung in Schleswig-Holstein.
[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]
Die rot-schwarze Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen, diese Initiative fortzuführen, die Akzeptanz sexueller Vielfalt weiterzuentwickeln und zu befördern und jegliche Form von Homo- und Transphobie zu bekämpfen. - Meine Damen und Herren von SPD und CDU! Wir nehmen Sie beim Wort und haben schon einmal einen Arbeitsplan für diese Weiterentwicklung formuliert; dieser liegt jetzt als Antrag vor.
[Beifall bei den GRÜNEN]
Die wichtigsten Eckpunkte dieser Weiterentwicklung sind für uns die stärkere Einbindung der Bezirke, denn dort wird viel der praktischen Arbeit geleistet. Hier müssen insbesondere die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fortgebildet werden. Dort, wo es entsprechende Beschlüsse in den BVVen gab, war für die Fortbildungsträger der Zugang sehr viel einfacher. Wir fordern aber den Senat auch auf, mit den Bezirken aktiv bei der Umsetzung zu kooperieren. Die Akzeptanzförderung für Lesben, Schwule und Transgender soll unter dem Aspekt der Mehrfachdiskriminie-rung in einen Diversity-Ansatz eingebunden werden. Dann muss es uns aber auch besser gelingen, die Mehrheitsgesellschaft wirklich zu erreichen. Das gelingt vielleicht dann, wenn wir Jugendliche stärker als Akteurinnen und Akteure beteiligen und einbinden, denn wenn Jugendliche nicht nur passiv Botschaften vernehmen, sondern selbst aktiv für Akzeptanz werben, hat dies nachweislich eine nachhaltigere Wirkung - und das wollen wir ja auch erreichen.
[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]
Folgerichtig liegt der Schwerpunkt beim Antrag im Bereich Jugend und Schule, denn hier werden die Grundla-gen für eine akzeptierende Haltung gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen und zu einem Empowerment von queeren Jugendlichen gelegt. Hier müssen wir einen langen Atem bewahren. Deswegen freue ich mich auch, dass der Bildungsausschuss den Haushaltsentwurf korrigiert und die Fortbildung zu sexueller Vielfalt im Bereich der Jugendhilfe für die nächsten zwei Jahre gesichert hat. - Danke, Herr Oberg!
[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN - Beifall von Lars Oberg (SPD)]
Weitere Themenfelder: Die Polizei und vor allem die Justiz sollen vertrauensbildende Impulse setzen, um die Anzeigebereitschaft zu erhöhen und damit die weiterhin hohe Dunkelziffer von ca. 90 Prozent nicht angezeigter Straftaten zu senken. Die allgemeine Verwaltung soll die versprochenen Diversity-Konzepte endlich entwickeln und umsetzen. Der Dialog unter gesellschaftlichen Gruppen zur Förderung der gegenseitigen Akzeptanz muss weitergeführt und qualifiziert werden. Die individuellen Bedürfnisse von queeren Menschen mit Behinderungen oder im Alter sollen erkannt und berücksichtigt werden. Sehr wichtig: Menschen, die in ihrem Herkunftsland von Verfolgung als Lesben, Schwule und Transgender bedroht sind, brauchen einen sicheren Aufenthaltsstatus in Berlin und Deutschland.
[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]
Hier gibt es ein aktuelles Beispiel, Herry H. - Ich appelliere an Sie, Herr Henkel, dass der von Zwangsheirat in Indonesien bedrohte Herry H. hierbleiben kann, Sie der Härtefallkommission folgen und die Abschiebung verhindern! [Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN] Dieses Jahr ist das Thema Wissenschaft Schwerpunkt beim CSD - aus gutem Grund: Wir meinen, dass Wissen über gleichgeschlechtliche Lebensweisen schon ins Lehramtsstudium gehört. Auch ist die Ignoranz mancher Mediziner gegenüber den Rechten intersexueller Menschen auf körperliche Unversehrtheit nicht nur für die Betroffenen nicht mehr hinnehmbar. Dazu muss ein öffentlicher Diskurs geführt werden.
[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]
Vizepräsidentin Anja Schillhaneck: Sie müssen zum Schluss kommen!
Thomas Birk (GRÜNE):
Ich komme zum Schluss: Wir bekräftigen von Berlin aus die Forderung zur Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule und zur Abschaffung des veralteten Transsexuellengesetzes. Der Antrag ist lang, aber bei dem langen Vorlauf wäre es nicht angemessen gewesen, nur kurze Worthülsen zu wählen. Ich freue mich aber auf jeden Änderungsvorschlag, und deswegen freue ich mich auch auf die öffentliche Debatte im Ausschuss. - Vielen Dank!
[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]