Vielfalt im Schöneberger Norden
21.08.2006: Es gibt kaum einen Stadtteil, der so viele Gegensätze aufweist, wie der Norden Schönebergs. Vom gutbürgerliche bayerischen Viertel, dem belebten Wittenbergplatz, dem Homo-Kiez rund um den Nollendorfplatz, dem Winterfeldtmarkt, dem Straßenstrich zwischen Bülow- und Kurfürstenstraße, dem Pallasseum bis zu den von MigrantInnen geprägten Wohnvierteln nahe der Yorckbrücken.
Diese Vielfalt ist faszinierend, deswegen wohne ich auch gerne mittendrin in der Fuggerstraße. Aber sie birgt auch Probleme. Gegensätze erzeugen auch Reibung, das bleibt nicht konfliktfrei. So sah sich das Café PositHiv vor zwei Jahren gezwungen, in die Bülowstraße umzuziehen, weil es in der Alvenslebenstraße immer wieder zu Einschüchterungen der CafébesucherInnen durch Jugendliche arabischer Herkunft kam. In dem friedlich wirkenden Kiez in der Motzstraße gab es in der letzten Zeit auch tagsüber Raubüberfälle auf Geschäfte und Imbisse. Gerade weil hier Lesben und Schwule offen leben, werden sie auch Opfer von Übergriffen, wie die Statistik von Maneo, dem schwulen Überfalltelefon, zeigt.
Sicher ist es für Familien nicht leicht, ihren Kindern das reichhaltige homo- und heterosexuelle Angebot in unserem Stadtteil zu erklären. Öffentliches zur Schau Stellen von Körpern und Fetisch, z. B. beim österlichen schwulen Ledertreffen, beim Folsom-Festival, aber auch weibliche und männliche Prostitution als täglicher Anblick ist für manchen harter Tobak, besonders dann, wenn starke religiöse Bindungen ein solches Verhalten als Sünde markieren.
Dennoch gelingt in Schöneberg etwas, wovon Berlin insgesamt noch mehr vertragen könnte: Toleranz untereinander bis hin zur Akzeptanz unterschiedlicher Lebensweisen. Dazu trägt u. a. seit Jahren das lesbisch-schwule Stadtfest rund um die Motzstraße bei. Längst ist es zu einem Familienfest nicht nur der Gayszene geworden. Auch das Quartiersmanagement (QM) im Schöneberger Norden hat seinen Anteil daran, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft selbstbewusst ihr Umfeld gestalten und damit Konflikte gemindert werden. Wenn z. B. MigrantInnen und Lesben und Schwule (unter denen es natürlich auch viele MigrantInnen gibt) in kommunalen Projekten zusammenarbeiten, können Vorurteile gemindert und Toleranz erprobt werden. Der Sport bietet die Chance zum friedlichen Wettbewerb und zu Begegnungen. Deswegen möchte ich, dass die "Respect Gaymes", die am 26. August zum ersten mal stattfanden, künftig zu einer festen Institution werden.
Es ist die Aufgabe von Politik, solche Aktivitäten ideell und finanziell zu unterstützen und gegebenenfalls zu moderieren. Mit dem Konzept der Sozialraumorientierung wollen wir ressortübergreifend Aufgaben und Probleme in den Kiezen angehen. Was bisher räumlich im QM-Gebiet "Schöneberger Norden" und fachlich nur für den bezirklichen Jugendbereich erprobt wird, wollen wir flächendeckend ausweiten: Eine wohnortbezogene Zusammenarbeit der verschiedenen Fachverwaltungen unter Einbeziehung der EinwohnerInnen gleich welchen Alters und welcher Herkunft. Dabei sind Kitas, Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen wichtige Bezugspunkte, die sich dem Stadtteil öffnen müssen. Auch Kirchengemeinden, Moscheen, gemeinnützige Träger und Vereine und Gewerbetreibende sind einzubeziehen. Sozialraumorientierung und das Bekenntnis zur Vielfalt sollen zu mehr Teilhabegerechtigkeit und Chancengleichheit, aber auch zu mehr Solidarität und Respekt führen. Hierfür könnte sich der Norden Schönebergs geradezu als Modell erweisen.
Thomas Birk (Direktkandidat im Wahlkreis 1)