Wenn die Verwaltung bummelt, gibt es Säumnisgebühren an die KundInnen

19.06.2006: Interview mit dem Tempelhof-Schöneberger Stichel

Stichel: Du hast mit einem Vorschlag für eine bürgerfreundliche Verwaltung ziemlichen Wirbel verursacht. Worum ging´s?

Thomas Birk: Wir wollen, dass BürgerInnen eine Säumnisgebühr ausbezahlt bekommen, wenn die Verwaltung sich nicht an die von ihr selbst mitgeteilte Bearbeitungsfrist hält. Diesen Antrag hat die grüne Abgeordnetenfraktion Anfang Februar der Presse vorgestellt.

Stichel: Wie soll das konkret gehen?

Stellt ein Bürger/eine Bürgerin einen Antrag bei einer Berliner Behörde, ist es jetzt schon Gesetz, dass die Behörde spätestens nach einer Woche mitteilen muss, in welcher Frist die Sache abschließend bearbeitet sein wird. Wir wollen da mehr Verbindlichkeit reinbringen. Wird die selbstgesetzte Frist um mehr als ein Drittel überschritten, dann soll die zuständige Verwaltung aus ihren Etat eine Säumnisgebühr zahlen. Bei jedem weiteren Drittel verdoppelt sich diese Gebühr.

Stichel: Würde das nicht den Haushalt unnötig belasten?

Wir wollen ja nicht, dass die Etats für die Gebühren draufgehen, im Gegenteil: Auf diese Weise soll Druck auf die Verwaltung ausgelöst werden, sich besser zu organisieren. Zeit- und Verfahrensabläufe sollen standardisiert werden.

Stichel: Im Öffentlichen Dienst ist doch sehr viel Personal abgebaut worden. Ist es da nicht ein Stückweit unfair, der Verwaltung vorzuwerfen, sie arbeite zu langsam?

Komischerweise war sie auch nicht schneller, als es noch mehr Personal gab. Sicher sind einige Behörden mittlerweile unterbesetzt. Wir wollen ja auch nicht, dass die Verwaltungen Unmögliches leisten. Sie sollen ja selber realistisch einschätzen und in Zielvereinbarungen festlegen, wie lange sie für welche Leistung brauchen werden. Daran sollen sich die Bescheide an die KundInnen orientieren, aber die sollen dann auch eingehalten werden. Übrigens wird von Seiten der Verwaltung oft argumentiert, sie brauche so lange, weil die vom Bürger beigebrachten Unterlagen nicht vollständig seien. Das lässt sich dadurch ändern, indem schon beim Eingang geprüft wird, was alles fehlt. Und erst wenn alles komplett ist, sollte die Frist laufen, die für die Säumnisgebühr relevant ist.

Stichel: Bisher kennt man als Kunde ja nur, dass man Strafgebühren zahlen muss, aber nicht, dass man welche erhält. Wird Euer Modell denn schon irgendwo praktiziert?

Ja, die Stadt Wolfsburg wirbt mit einer Broschüre "Qualitätsversprechen" für 15 Bereiche. Wenn die dort versprochenen Leistungen nicht erfüllt werden, gibt es Gutscheine, Geschenke oder Gebührenermäßigungen.

Stichel: Berlin hat ja das Image einer mäßigen Verwaltung. Glaubst Du tatsächlich durch Euren Vorschlag würde sich das ändern?

Das kann natürlich nur ein Baustein sein. Berlin steckt seit 12 Jahren in einer Verwaltungsreform, aber es wird der Fehler gemacht, vor allem Strukturen zu ändern, statt Arbeitsweisen. Wir wollen Qualitätsvergleiche zwischen den Verwaltungen. Sie sollen voneinander lernen, warum ein Wohngeldbescheid in einem Amt mit gleicher Personalbesetzung in einem Bezirk doppelt so schnell bearbeitet werden kann, als in einem anderen. In vielen Behörden werden die Möglichkeiten der Informationstechnik noch nicht optimal genutzt. Es fehlt auch ein vernünftiges Beschwerdemanagement in Berlin. Die BürgerInnen werden trotz Bürgerämter noch immer zu oft von einer Stelle zur anderen geschickt. Das ist nicht nur äußerst ärgerlich für die Kundinnen, sondern auch unwirtschaftlich, weil es jedes Mal neu Zeit eines Mitarbeiters bindet.

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