Grünes Modell für das Politische Bezirksamt - Kernpunkte und Hintergründe

19.08.2009: Im Gegensatz zu Bundestagswahlen steht bei BVV-Wahlen ein Ergebnis immer schon vorher fest: Mehrheit und Minderheit bilden zusammen das Bezirksamt. Dieses Proporz-Bezirksamt wollen Bündnis 90/Die Grünen durch ein Politisches Bezirksamt ersetzen und haben eine umfassende Alternative vorgelegt.

Kernpunkt dieser grünen Bezirksreform: Stärkung der bezirklichen Demokratie und der dezentralen Selbstverwaltung in den Bezirken. Zusammen mit einer Ausweitung der Entscheidungsrechte der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) wird mehr Transparenz geschaffen und die Zuordnung der politischen Verantwortung für die BürgerInnen erleichtert. Statt gegenseitiger Blockade können politische Projekte effektiv umgesetzt werden. Gewollter Nebeneffekt unseres Konzepts zum Politischen Bezirksamt: Bezirkliche Bürgerentscheide bekommen eine bindende Wirkung.

Hintergrund der grünen Initiative: Verfassungslage zwingt zum Handeln

Zum 1. Januar 2010 läuft die Übergangsregelung in der Verfassung von Berlin zur Wahl des Bezirksamtes (BA) aus. Bisher erfolgt die Besetzung der Bezirksamtsmitglieder proportional nach der Stärke der Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Für die Wahl der BezirksbürgermeisterInnen konnten Zählgemeinschaften gebildet werden. Einig ist man sich im Parlament darin, diese Regelung bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode zu verlängern, damit nach dem Ausscheiden eines Bezirksamtsmitgliedes keine Unklarheit bei der Nachwahl entsteht.

Aber was passiert danach? Während Bündnis 90/Die Grünen eine Wahl des Bezirksamtes nach dem politischen Mehrheitsprinzip fordern, halten CDU, SPD und seit kurzem auch die Linke am Proporzbezirksamt fest. In einem Änderungsantrag der rot-roten Koalition zu den Bezirksfinanzen wurde eine Gesetzesinitiative zum Erhalt des Proporzbezirksamtes angekündigt. Dahinter steht ein rot-roter Deal: Der Finanzsenator musste acht Millionen Euro für die Bezirke zusätzlich zum zuvor ausgehandelten Kompromiss bereitstellen, dafür verzichtete die Linkspartei auf das politische Bezirksamt.

1. Grünes Bezirksamtsmodell schafft klare Verantwortlichkeiten

Das grüne Bezirksamtsmodell sieht so aus: Die BVV wählt das Bezirksamt entsprechend ihrer Mehrheit. Mit dem Politischen Bezirksamt können die EinwohnerInnen des jeweiligen Bezirks die politische Verantwortung für das Verwaltungshandeln im Bezirk klarer nachvollziehen. Statt der bisherigen inneren Blockade kann eine politische Mehrheit schneller Entscheidungen treffen und effektiver umsetzen.

Um bezirkliche Koalitionswechsel während der Legislaturperiode zu ermöglichen, entfällt die Zweidrittelmehrheit zur Abwahl von Bezirksamtsmitgliedern. Die Abwahl kann aber nur durch ein "konstruktives Misstrauensvotum" erfolgen, d.h. sie muss mit der Neuwahl von BA-Mitgliedern verbunden werden. Der politische Beamtenstatus von Bezirksamtsmitgliedern soll entfallen, um im Falle einer vorzeitigen Abwahl Besoldungs- und Versorgungsansprüche zu vermeiden (siehe DS 16/2499).

2. Mehr Entscheidungsrechte für BVV und BürgerInnen

Bisher haben die meisten Beschlüsse der BVV nur empfehlenden Charakter. Mit dem grünen Modell würde die BVV gestärkt, in dem sie bei allen Bezirksangelegenheiten das Entscheidungsrecht erhält. Werden BVV-Beschlüsse somit verbindlich für das Bezirksamt, hat das wiederum weitreichende Folgen für Bürgerentscheide: Die werden nämlich durch entsprechenden Verweis im Bezirksverwaltungsgesetz ebenso bindend für die Verwaltung. Das Grüne Modell stärkt somit die direkte Demokratie in Berlin.

3. Bezirkliches Vertretungsgremium stärken

Wir wollen den Rat der Bürgermeister (RdB) in ein Entscheidungsgremium mit mehr politischem Gewicht verwandeln. Er soll "Rat der Bezirksämter" heißen und aus jeweils zwei VertreterInnen mit einem gemeinsamen Stimmrecht pro Bezirk bestehen, ausgestattet mit einem stärkeren Vetorecht gegen Senatsentwürfe von Rechtsvorschriften. Dieses Veto kann nur durch das Abgeordnetenhaus abgewendet werden. Aber der neue RdB soll nicht nur reagieren, sondern auch durch verstärkte horizontale Zusammenarbeit selbst Qualitätsverbesserungen des Verwaltungshandelns anregen.

4. Eingriffsrecht bei Bauvorhaben beschränken

Bündnis 90/Die Grünen wollen darüber hinaus die Bezirke stärken, in dem sie das Eingriffsrecht des Senats bei der Bauleitplanung auf das Maß zurückschrauben, wie es für die anderen Bereiche bereits gilt. D. h. die alte "Lex Strieder", die einen ungebremsten Eingriff bei der Würstchenbude am Brandenburger Tor bis hin zu ganzen Bebauungsplänen vorsah, soll gemäß unseres Gesetzentwurfes abgeschafft werden. Eine Stadtentwicklungssenatorin könnte nach dem grünen Modell einen bezirklichen Bebauungsplan nur auf Basis eines Senatsbeschlusses an sich ziehen. Die unsinnige, zweimonatige Schlussprüfung bereits beschlossener, bezirklicher Bebauungspläne durch die Senatsjuristen würde entfallen. Damit trägt das grüne Modell zur Entbürokratisierung auf Bezirksebene bei.

5. Bezirkliche Aufgaben gesetzlich fixieren

Bündnis 90/Die Grünen fordern für die Bezirke einen abgeschlossenen, gesetzlich fixierten Aufgabenkatalog (DS 16/2498). Damit können die BerlinerInnen aber auch die PolitikerInnen nachvollziehen, was die Bezirke alles leisten. Nur auf Basis eines solchen Aufgabenkataloges kann auch eine Aufgabenanalyse und -kritik stattfinden. So sollen auch Doppelarbeiten zwischen Bezirken und Senat erkannt und abgebaut werden.

Bündnis 90/Die Grünen halten klare Bezirkslinie

Bündnis 90/Die Grünen haben hiermit ein Modell vorgelegt, das mehr Transparenz bei der Aufgabenzuordnung und der politischen Verantwortung schafft. Wir verbinden damit eine klare Botschaft: Ein starkes Berlin braucht starke Bezirke! SPD und Linkspartei verharren im Status Quo: sie konnten sich innerparteilich nicht auf ein Modell zur Zukunft der Bezirke einigen und lassen deswegen alles so, wie es ist. So wird Berlin unter seinen Möglichkeiten regiert.

Das grüne Gesetzespaket

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat am 25. Juni 2009 ein Antrags- und Gesetzespaket zur Umsetzung des politischen Bezirksamtes ins Abgeordnetenhaus eingebracht (Drucksachen: 16/2496, 16/2497, 16/2498, 16/2499). Kernstück ist das "Gesetz zur Stärkung der bezirklichen Demokratie und Selbstverwaltung (Selbstverwaltungsstärkungsgesetz), DS 16/2497". Das Paket ist gemeinsam mit BezirksvertreterInnen erarbeitet worden

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